Fachtagung „Spielen ist Kinderrecht“ entwickelt Strategien für die Zukunft der Gesellschaft
Da haben wir es – jetzt müssen sich die Erwachsenen schon Gedanken darüber machen, wie Kinder wieder spielen können.
Auf der Fachtagung „Spielen ist Kinderrecht – Strategien für die Zukunft der Gesellschaft“, die das Deutsche Kinderhilfswerk in Kooperation mit dem Bündnis Recht auf Spiel, der deutschen Sektion der International Play Association und der National Coalition Deutschland – Netzwerk für die Umsetzung der UN-Kinderechtskonvention am 15. Januar in Berlin durchführt, entwickeln über 100 Fachleute Vorschläge, wie dem Recht auf Spiel in Deutschland besser entsprochen werden kann. Der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes veröffentlichte im April 2013 seine Allgemeine Bemerkung Nr. 17, den General Comment No. 17 zu Artikel 31 der UN-Kinderrechtskonvention und brachte damit zum Ausdruck, dass die Mitgliedsstaaten bei diesem Thema zunehmend mit Schwierigkeiten und Herausforderungen konfrontiert sind.
„Um die Bedingungen für das Spiel von Kindern und ihr Recht auf Freizeit zu verbessern, brauchen wir dringend einen gezielten Aktionsplan in Deutschland“, fordert Prof. Lothar Krappmann, ehemaliges Mitglied des UN-Ausschusses für die Rechte des Kindes. „Die Lebensbedingungen der Kinder haben sich dramatisch verändert, was weitreichende Folgen für die Lebensqualität und die Entwicklungschancen von Kindern hat. Der UN-Ausschuss beklagt in seinem Kommentar zum Recht der Kinder auf Spiel und aktive Freizeit, dass Kindern Freiräume und freie Zeit zum nicht reglementierten Spiel fehlen, und drängt auf Abhilfe.“
Aufpassen- damit ist nicht gemeint, dass nun die Erwachsenen überlegen, wie sie das Spielen der Kinder noch besser organisieren könnten.
NEIN
Es geht nicht darum unsere Kinder noch besser durch Projekte und Angebote zu schleusen, sondern darum, sie möglichst ungestört selbst entfalten zu lassen.
Kinder sollten ihren Weg selbst suchen und weiterentwickeln dürfen. Der Erwachsene (Eltern und Erzieher) achtet im Hintergrund darauf, dass genügend Herausforderungen, Bewältigungsaufgaben, Schwierigkeiten und Eigenverantwortlichkeit im Alltag des Kindes zu finden ist.
Das gelingt aber nur, wenn das Kind dies in für sich bedeutsamen Bereichen tun kann und nicht in künstlichen Welten.
Um herauszufinden, was gerade bedeutsam für ein Kind ist, sollte der Erwachsene das Kind BE(OB)ACHTEN, ohne in jeder Situation beschützend und Verantwortung übernehmend zur Stelle zu sein.
„Um den Anforderungen der Vereinten Nationen gerecht zu werden, brauchen wir einen tiefgreifenden Wandel in den Bedingungen für das Aufwachsen von Kindern. Wir müssen Schulen zu Aktionsräumen von Kindern und Jugendlichen weiterentwickeln, in denen sie sich ausprobieren und Erfahrungen machen können“, erläutert Thomas Krüger, Präsident des Deutschen Kinderhilfswerkes.
„Bildungs- und Betreuungseinrichtungen müssen an Kinderbedürfnissen orientierte Räume für Spiel und Erholung werden. Wir brauchen Fördermittel und Modellprojekte zur naturnahen Gestaltung von Gebäuden und Geländen. Wir engen unsere Kinder immer mehr ein und muten ihnen einen Terminstress zu, bei dem viele Erwachsene rebellieren würden. Dadurch bleibt zum Spielen kaum noch Zeit. Hier müssen wir die Notbremse ziehen, damit Kinder noch Kinder sein können.
Ein Aktionsraum kann nur ein solcher werden, wenn das Kind die Aktion gerade sucht! Es braucht selbstgefundene Aufgaben und keine gemachten Projekte, in welchen es dann vielleicht noch die Farben zum Malen selbst auswählen darf.
Die Angst, dass ein Kind dann nicht ausreichend auf die nächsten Lernschritte (z.B. Schule) vorbereitet wird, die brauchen wir nicht zu haben. Ein Kind hat alles bei sich, was es braucht um sich die Welt verständlich zu machen. Wir sollten ihm die Möglichkeit geben, es auf seine Weise zu tun. Dazu braucht es Erwachsene, die nicht ständig eingreifen! Erwachsene die zuhören, zuschauen und Ideen zurückhalten können und die die Bedürfnisse, Interessen und Stärken des Kindes kennen.
Wenn dann das Kind von uns auch noch erfährt, was wir über seine Fähigkeiten gehört, gesehen und erfahren haben, können sie ihm Bewusst werden und es kann sie dann auch bewusst einsetzten.
Und wo am besten? Im Spiel!
Spielen macht Spaß, gleichzeitig lernen Kinder durchs Spielen die Welt um sie herum kennen und entwickeln dabei ganz nebenbei wichtige motorische, kognitive und soziale Fähigkeiten.“ „(….) „Kinder- und Jugendliche brauchen offene, freie Räume zur Entfaltung eigenständigen Engagements, um eine aktive partizipationsorientierte Rolle in der Gesellschaft zu entwickeln. Das Recht auf Spiel ist auf Landes- und Kommunalebene zu verankern“, so Kittel weiter, „um so bessere finanzielle und gesellschaftliche Voraussetzungen für das freie Spiel für alle Kinder zu schaffen. Die National Coalition für die Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland kann hier als Kooperationspartner mit bundesweitem Netzwerk die notwendige Expertise einbringen und politische Strategien und Zugänge schaffen.“
Armes Deutschland – wir brauchen Strategien, damit Kinder alleine spielen und wir Erwachsenen nicht überall hinein fuschen.
Zum Hintergrund: Der Artikel 31 der UN-Kinderrechtskonvention, „Recht des Kindes auf Ruhe und Freizeit, auf Spiel und altersgemäße aktive Erholung sowie auf freie Teilnahme am kulturellen und künstlerischen Leben“ regelt die Anerkennung und staatliche Förderung der kulturellen und künstlerischen Freizeitansprüche von Kindern und Jugendlichen. Die Kernelemente des Artikels 31 erfassen die Grundzüge der demokratischen Freiheitsrechte des Kindes, die da wären:
„freies Spiel“ und „freie Zeit“:
Eben nicht ständig vorgeplante, pädagogisch wertvolle Projekte und Förderprogramme – sondern selbsterforschtes Lernen, Lust auf eigene Ideen, Kreativität wieder entdecken, Zeit etwas selbst zu finden, sich auf die eigene Art und Weise auf Dinge einlassen können, Projekte selbst finden, planen und umsetzen. Niederlagen aushalten lernen und neu starten – selbst initiiert. Und vor allem: Ein Recht auf Langeweile!
„aktive Erholung“ und „altersgemäße Förderung“:
Das kann nur gelingen, wenn wir genau wissen was jetzt ansteht. Dazu sollten Eltern und Pädagogen lernen, Kinder zu Beobachten, ohne eigene Ideen beizusteuern – Lernen vom Kind zu lernen.
Aktive Erholung, dazu gehört auch sich langweilen zu dürfen, nicht zu wissen was man tun will, gerade unzufrieden sein zu dürfen. Zeit zu haben um selbst spüren zu können, was jetzt entlasten kann und hilfreich ist.
Altersgemäße Förderung kann nicht nur das biologische Alter meinen, sondern muss sich um die individuellen Stärken des Kindes drehen. Wo steht es, was braucht es jetzt?
Die Eltern und Pädagogen sollte immer wieder die Perspektive wechseln können und sich Fragen aus der Sicht eines Kindes stellen. So als würde dieses Kind sie fragen:
Kann ich dir vertrauen? Auf welche Art und Weise berücksichtigst du meine alltäglichen Bedürfnisse?
Kennst du meine Interessen? Auf welche Art und Weise bringst du meinen Interessen und Fähigkeiten Wertschätzung entgegen?
Gibst du mir Gelegenheit und ermunterst mich, mich in etwas zu vertiefen? Wie machst Du das?
Lässt du mich meine Umwelt erkunden? Auf welche Art und Weise trägst du dazu bei, mich meine eigenen Lösungswege finden zu lassen?
Hörst du und siehst du mir zu? Wie sprichst du mich an? Wie tauschst du dich mit mir aus?
Nimmst du wahr, wie wir Kinder in der Gruppe miteinander und voneinander lernen? Auf welche Art und Weise unterstützt du meine Bemühungen, Teil der Gruppe zu sein?
Dann gibt es keine Schwierigkeit,dem Kind die passende
„Freizeitaktivitäten“, „kulturelle und künstlerische Beteiligung“ und „freie gesellschaftliche Teilhabe“
zu ermöglichen. Es wird sie sich erschließen.
Dann geht der Pädagoge / die Eltern mit seinem Wissen „hinter“ dem Kind her, nicht wie eine Entenmutter vor dem Kind und kann es stärken indem er das Kind Spüren lässt:
Du schaffst es – ich glaube an Deine Fähigkeiten!
Ich sehe Dich in Deinem Tun, Deinem Wissen, Deinen Fragen!
Ich helfe Dir, dass Du es selbst tust!
Das geschieht schon?
Wohl kaum- sonst würde die Umfrage des Deutschen Kinderhilfswerkes zum Weltspieltag 2014anders ausfallen.
Eine bundesweite Online-Umfrage, an der sich rund 2.000 Kinder und Jugendliche beteiligt haben, stellte fest, dass Kinder und Jugendliche in Deutschland in ihren Spielmöglichkeiten sehr stark eingeschränkt werden.
Rund 75 Prozent der Kinder und Jugendlichen gaben an, dass es Orte gibt, an denen sie nicht spielen dürfen, weil die Eltern verbieten, dort alleine hinzugehen. Gleichzeitig stufen rund zwei Drittel die nähere Umgebung der Wohnung als zumindest etwas gefährlich ein.
Außerdem ist die Umgebung ihrer Wohnung für viele Kinder wenig anregend. Rund ein Viertel empfinden diese als langweilig oder gaben an, gar nichts machen zu können.
Wenn ich nur darf, wenn ich soll,
aber nie kann, wenn ich will,
dann mag ich auch nicht, wenn ich muß.
Wenn ich aber darf, wenn ich will,
dann mag ich auch, wenn ich soll,
und dann kann ich auch, wenn ich muß.
Denn schließlich:
Die können sollen, müssen wollen dürfen.
Quelle.Unbekannt
Quelle: Pressemitteilung des Deutschen Kinderhilfswerks vom 15.1.2015 – dieser Text wurde von den Autoren Kornelia Becker-Oberender und Erwin Oberender kommentiert – extra hervorgehoben und Textteile markiert durch Schreibschrift.